Eugen Onegin
Staatsoper Wien 1937, Eugen Onegin von P. I. Tschaikowski, als Lenski mit Alexander Sved als Onegin, Leitung Bruno Walter

Eines Tages  – es war Anfang März 1937 – wurde ich in den Musiksalon der Staatsoper bestellt. Pünktlich um fünf Uhr Nachmittag, mit dem Klavierauszug von „Eugen Onegin“ bewaffnet, fand ich mich ein.

Kurz darauf erschien Bruno Walter. Schon wie er mir die Hand reichte, wie er sich ans Klavier setzte, nahm mir jede Scheu. Walter war ein hervorragender, virtuoser Pianist. Er begann die Partie des Lenski Takt für Takt mit mir durchzuarbeiten, dabei stellte es sich bald heraus, dass mir die Partie durchaus nicht auf den Leib geschrieben war, sondern stellenweise für mich zu tief lag.

Eugen Onegin
Staatsoper Wien 1951, mit George London als Onegin und Ljubomir Pantscheff
Eugen Onegin
Staatsoper Wien 1951, mit George London als Onegin und Ljubomir Pantscheff

Walter begann diese Stellen mit dem Bleistift zu punktieren, das heißt höher zu setzen. Und weil er merkte, dass mir auch die Aussprache des Deutschen gelegentlich Schwierigkeiten bereitete, so etwa das helle A, änderte er auch den Text zu meinen Gunsten, wobei er mit feinem Sprachgefühl zugleich die Sangbarkeit der Worte verbesserte. Wir saßen stundenlang beisammen.

Bruno Walter bot mir nicht nur im entscheidenden Moment die nötige Hilfe, er hat mir gleichsam Gesangsunterricht erteilt – ein leuchtendes Beispiel dafür, wie sich früher in der Staatsoper ein großer Dirigent zu einem kleinen Anfänger verhielt.

Eugen Onegin
Staatsoper Wien 1951, mit George London als Onegin und Ljubomir Pantscheff Fotos: Rudolf Pittner, Fayer