Im Jänner 1954 wurde Dr. Karl Böhm zum Direktor des neuen Hauses ernannt, der Anfang Mai mit den Proben für das kommende Eröffnungsfest begann. Zum ersten Mal nach zehn Jahren erklang im Haus am Ring wieder Musik. Ich hatte mir heimlich gewünscht, bei der feierlichen Eröffnungsvorstellung von Beethovens „Fidelio“ mitzuwirken. Ich wäre sicher schon damit zufrieden gewesen, hätte man mir bloß den ersten Gefangenen zugeteilt. So war ich völlig überrascht, als ich eines Tages auf dem ausgehängten Probenplan las, dass ich nicht als erster Gefangener und nicht als Jacquino, sondern als Florestan angesetzt war. Überdies durfte ich unter Bruno Walter bei Beethovens „Neunter“ und Bruckners „Tedeum“ mit dabei sein. Meine Freude war groß, meine Sorge nicht minder. Aber dann kamen die ersten Orchesterproben im neuen Haus unter Böhm und da geschah etwas, das mir starken Auftrieb gab. Als ich meine Florestan – Arie, erstmals begleitet von den Wiener Philharmonikern, zu Ende gesungen hatte, rief mir Dr. Böhm vom Pult her ein lautes „Bravo“ zu. Das hatte ich von ihm noch nicht erlebt. Dr. Böhm pflegte mit Lob vor dem gesamten Orchester sehr sparsam zu sein.